Gottesfürchtig

Foto Belinda Helmert: Dänemark, Fredirikshaven, Halbinsel Jütland, https://maps.adac.de/show/juetland?bounds=56.11007,8.17917-57.59568,11.91831

Gottessuche als Liebesdienst

Was haben Hölderlin, Nietzsche und Kierkegaard gemeinsam ? Sie alle waren leidenschaftlicher Spaziergänger und zudem Protestanten. So stammt vom in Kopenhagen geborenenen Theologen (1813-55) und wichtigsten Vertreter des dänischen goldenen Zeitalters https://de.wikipedia.org/wiki/Goldenes_Zeitalter_(D%C3%A4nemark) der Satz: „Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer, den man nicht weggehen kann.” Für alle drei galt, dass die Religion einer grundlegenden Reform bedurfte, weil sie die humanistische Grundgesinnung nicht erfüllte. Für alle Wegbereiter der Moderne galt ebenso: Gott muss menschlicher werden, damit Freiheit sich aus der conditio humana entwickeln könne.

Zudem besaßen alle drei Genannten des 19. Jahrhunderts eine große Liebe: nur Hölderlin gelang es, zumindest teil- und zeitweise, sein Liebesglück zu erfüllen in Gestalt mit Susette Gontard, der Diotima seiner Dichtung, in der sich sein Idealbild kristallisierte. Mit ihrem Tod schwand auch die von ihm erstrebte Synthese zwischen griechischer Antike (Heidentum bzw. Polytheismus) und Christentum (protestantischer Monotheismus). Nietzsches „Affäre“ mit Lou Salomé währte nur einen Sommer. Auch sein Idealbild zerschellte, mutmaßlich am Mangel seiner eigenen Courage, mit der Familie zu brechen; auch sein Gedankengut wurde umshattet, zunehmend skurril bzw. petrifiziert. Geistige Starrheit bishin zur Infertilität oder Wahnsinn kann man Sören Kierkegaard nicht vorwerfen. Sein Verhältnis zu Regine Olsen, immerhin vorübergehnd seine Verlobte, prägte ihn tief und führte zu seiner Poesie, die zwischen Philosophie, Religion und Kunst vermittelte, sprachlih wie inhaltlich. Alle drei Geister waren mit großem Abstand die Verkünder (Propheten) eines auf Authentizität gestellten Gottesverständnisses, das eine persönliche Beziehung zur Gottesfrage in den Mittelpunkt rückte.

Überspitzt formuliert: Da sie ihre geschlechtliche irdische Liebe nicht zu leben vermochten, teilweise auch aufgrund ihrer geistigen Bestimmung (alles für die Kunst unterzuordnen) und sich als wenig lebenstauglich erwiesen, projizierten sie ihre Liebe, einen amor furor, auf das Gottesbild.

Foto Belinda Helmert: Fische auf dem Trockenen. Jütland nahe der Landspitze Skagen, wo am Grenen Nord- und Ostsee sich berühren (Skakerag).

Hybris

Hölderlins Hybris bestand darin, dass er glaubte, Dichter seien auserwählte Boten Gottes. Wie häufig er sich als Sprachrohr inszeniert, als heilige Zungen, heilige Priester oder heiliges Gefäß, ist markant. Beispielsweise lautet die erste Zeile des Gedichts Buonaparte, 1797: Heilige Gefäße sind die Dichter….

In der Elegie „Brot und Wein“ (1801) ist vom Heiligen Gedächtnis die Rede:

Die berühmteste Elegie Höldeins verweist bereits im Titel auf die Verschränkung von Theologie (Brot als Leib und Wein als Geist Christi) mit Philosophie (Brot als irdische Materie, Wein als metaphysische Begeisterung) und Kunst (Brot als Form, Wein als Stoff). Vor allem aber sind Brot und Wein gleichzeitig Kultur- und Naturgüter, Sinnbild einer Synthesis von Mensch und Natur, Dichter und Gottesdienst. Sie erfährt eine Widerspiegelung in der Hymne „Andenken“ (1803). Konvergierend, weil Hölderlin im Wechsel der drei Töne und Gattungen Lyrik als Dreifaltigkeit begreift, also Hymne, Ode und Elegie sich komplettieren wie Vater, Sohn und Heiliger Geist. Konvergierend, weil einzelne Phrasen und die Kontextualisierung von Natur, Liebe und Gott sinnfällig und augenscheinlich bleiben. Konvergierend zuletzt, weil heilig als Attribut und Gedächntnis im Sinn von mnemosyne, weil kulturübergreifend (germanisch-christliche und griechisch-heidnische) immer konvergieren. Hybris setzt dort ein, wo der Dichter glaubt, Gottes Plan in heiliger Einfalt eingesehen mit mit heiliger Begeisterung verkündet zu haben. Er macht sich so zum sakrosanten Stellvertreter des Absoluten.

Foto Belinda Helmert: Nord-Jütland wird dominiert von Heidekraaut und Kornblumen. Nächste und viergrößte Stadt Dänemarks ist Aalborg.

Wozu Dichter in dürftiger Zeit?

Das Attribut „heilig“ taucht in den letzten beiden Zeilen von „Brod und Wein“ (SchriftartHölderlins) gedoppelt auf: zunächst in Verbindung mit Priester, dann mit „heilige Nacht.“ . Diese Stelle kommuniziert extern mit Strophe 3: „göttliches Feuer auch treibet bei Tag und bei Nacht.“  Damit ist gesagt: Die Verbindung wiederaufzunehmen – „nur zuzeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch“ (Strophe 7) ist Sache der „Dichter in dürftiger Zeit“. Entscheidend ist, daß sich der Dichter begeistern bzw. „ergreifen“ läßt, nicht selbst anmaßend sich vergreift am Heiligen. Heideggers Hauptthese ist, dass Hölderlin in seiner Dichtung sowohl die Rolle des Dichters (Sprechenden) als auch der Dichtung (des „Vernehmenden, zugleich Verbergenden“) thematisiert. 

Das zu Spät Kommen oder in der Zeit ge- und befangen zu sein ist das Eine, welches das Verhältnis Mensch-Gott stört. Das andere ist das Vermessene, ihn deuten oder erklären zu wollen, der Rationalismus. Die siebte Strophe aus Brot und Wein, der auch die „Titelzeile „Wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ entnommen ist, lautet: „Aber Freund! wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter / Aber über dem Haupt droben in anderer Welt.

Immer geht es um die Vermittlung von Ästhetik (Naturerleben) und Ethik (Gottesschau) – nicht nur bei Hölderlin, auch bei Nietzsche und Kierkegaard. Als zweites Beispiel sei daher auf „Patmos“ verwiesen, das wie kaum ein anderes Gedicht Hölderlins Ringen mit der Sprache exemplifiziert: drei Versionen sind erhalten (1803) und die angestrebte Synthese sowohl der drei Geisteswissenschaften Poesie, Philosophie, Religion, vom Dichter wahlweise Töchter oder Schwestern genannt, als auch der christlichen mit der polytheistisch-antiken Welt verbürgt.

Patmos ist der Geburtsort Pindars, dem dichterischen Vorbild Hölderlins, zugleich der Ort, an dem Apostel Johannesseine Offenbarung schrieb. Die griechische Insel Patmos gehört geografisch und politisch zur Inselgruppe des Dodekanes in der Ost-Ägäis. Trotz ihrer geringen Größe gehört Patmos zu den bedeutenderen Inseln der Ägäis: als vermutlicher Schöpfungsort der Apokalypse des Johannes ist sie Standort eines der wichtigsten Klöster der griechisch-orthodoxen Kirche und ist über mehrere hochfrequentierte Fährlinien mit dem Rest Griechenlands verbunden. Daher gilt Patmos auch als „Heilige Insel“ und ist alljährlich Ziel mehrerer großer Wallfahrten orthodoxer gläubiger Christen, z.B. an Ostern.

Deutet man Hölderlin aus der Hegelianischen Sichtweise (in seiner Brückenfunktion), so ist Napoleon notwendig zur Werdung des deutschen Vaterlandes. Sein Zyklus „Vaterländische Gesänge“ ist getragen von einem einigen christlichen Europa (analog Novalis). Es geht es um die Einigkeit des längst durch Religionskriege gespaltenen und die Aufklärung bzw. Theodizee erschütterten Christentums innerhalb Europas. Bezieht man „Patmos“ auf den Psalm: „Gott sind alle seine Werke bewußt von der Welt her“ , so wirkt es als Antwort Spinozas , weshalb das vermeintlich Böse und Falsche in die Welt gekommen ist : um den Menscchen die freie Entscheidung zu belassen. Der Glauben soll sich von innen her und durch Seinsbejahung in Freiheit entfalten.

Von einem Scheitern seiner Gedanken kann niht die Rede sein, nur weil der Anspruch vielleicht über das hinausging, was der Dichter zu bewältigen vermochte. Sein Wahnsinn kann psychologisch gedeutet werden aus der Summe missglückter Beziehungen, die zu Susette Gontard an erster Stelle, aber auch die zu Schiller und die zu seinem engen Freund Sinclair, den sich abzeichnenden Zerwürfnis der Frühromantiker und zuletzt das unternehmerische wie das politische Fiasko. Es mag gedeutet werden als Flucht von einer idealen Welt in eine naive, in ein inneres Exil. Oder aber als philosophisches Bekenntnis zum Fragment, zum Fragen, Andeuten, Verrätseln, das mit einem Fuß im Transzendetalismus Kants bzw. Fichtes wurzelt, aber mit dem anderen Fuß die „geheiligte Erde“ aus Mythologie, Mystik und Spinozismus besetzt hält.

Gescheitert sind vielleicht jene, die Hölderlin und damit eine Einkehr zur inneren Stimme, zur Heimat in sich selbst und sein Gottvertrauen nicht nachvollziehen können oder wollen. Der Spagat zwischen den beiden Ufern ist groß, dennoch fließt ein Fluss – unwillkürlich denkt man an das Gedicht „Der Rhein“ oder „Der Neckar“ – aber er wird doch verbunden von Wasser. An Heraklits pantha rhei ist zu denken und mit ihm das Paradoxon schlechthin vom Werden im Vergehen.

Foto Belinda Helmert: nordöstlicher Ostseestrand Jütlands. Die „Jammberbuht“ liegt im Westen, an der Nordsee, doch Tierleben findet sich nahe des Rold Skov . dem zweitgrößten Wald Dänemarks auch hier.

Kierkegaard

An seine Schwägerin Sophie Henriette schreibt Kierkaard 1847 die viel zitierten Zeilen „Verlieren Sie vor allem nicht die Lust zu gehen; ich gehe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an und entgehe jeder Krankheit; ich habe mir meine besten Gedanken angegangen, und ich kenne keinen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihm nicht entgehen könnte.“

Drei Themen erscheinen im Bezug auf das Gottesverständnis und Kierkegaards vermeintliches Scheitern (zumindest in der Umsetzung) relevant: die Differenz von Angst und furcht, beides in eigenen Schriften „Furcht und Zittern“ sowie „Der Begriff Angst“ festgehalten. Zweitens die Kluft zwischen Ästhetik und Ethik, meisterhaft in „Entweder Oder“ festgehalten, welche nur durch den Sprung in die Religion als deren Synthese überwindbar ist. Drittens, im Buch (Romantik als) „Die Krankheit zum Tode“, welches den fundamentalen Unterschied von Zweifel und Verzweiflung in den Mittelpunkt rückt.

Platt gesagt, handelt es sich um vermeintliche Polaritäten, Minus und Plus: Furcht, Verzweiflung sind negativ, Ästhetik zumindest nur eine Momentaufnahme und subjektiv; Angst und Zeifel sind hingegen positiv konnotiert und Ethik verbürgt Objektivität sowie Dauer.

Hölderlin, Nietzsche und Kierkegaard waren ausgewiesene Musikexperten, sie hörten die Sprache und vernahmen in ihr sphärische Klänge. Sie umspannen die vor und nachromantische Epoche, die vom Selbstbewusstsein, Selbsthingabeund Selbsterkenntnis geprägt ist. Dies verlangt auch nach einer Selbstbestimmung und Selbstinfragestellung. Sie verlangt nach einem veränderten Gottesbild und einer radikalen Prophetie.

Foto Belinda Helmert: Nordost-Jütland. Dänemark liegt mit dem 1,5 fachen Wert zu Deutschland weltweit auf Rang 44 bezüglich des Küstenlänge. Kierkegaard bevorzugte die 12 km Strecke um um Gilleleje, die dänische Rivera.https://www.visitdenmark.de/daenemark/erlebnisse/aktivurlaub/wanderwege-daenemark Das Schilfrohr lässt an Pascals Gleichnis denken, der Mensch gleiche einem schwankenden Grashalm, doch gerade sein Zweifel, seine Stellung zwischen Ästhetik und Ethik, unbmittelbarem Erleben und Reflexion, erlaubt ihm seine Biegsamkeit. Er übersteht den Sturm, der die Eiche entwurzelt.

Verzweiflung als Krankheit

„Die Krankheit zum Tode“ (1849) setzt ein mit dem Gleichnis des Lazarus, das auch in Dostojewskis „Dämonen“ (in der Übersetzung Svetlana Geiers: Böse Geister) eine zentrale Rolle spielt. Mit dem Grad an Bewusstsein potenziert sich auch der Grad der Verzweiflung. Der einzige Weg zur Erlösung besteht im Christentum, im Gottvertrauen und Loslassen der Selbstbezogenheit, da Verzweiflung aus Selbstzweifel besteht. Auch er operiert unablässig mit der Trinität, in diesem Fall konkret drei Stufen der Verzweiflung http://www.psychologische-praxis.rielaender.de/Literatur/Verzweiflung_Kierkegaard.pdf

Verzweiflung ohne Bewsusstsein des Selbst, als Missverhältnis im Selbst und zuletzt gegen Gott. Zur Heilung muss Zur Heilung muss man sein eingebildetes Selbst (die Eigenliebe, amour propre nach Rousseau) aufgeben, um das ursprünglich richtige und natürliche Selbst zurückzugewinnen (amour de soi, Selbsliebe). Das gesamte Buch ist einzusehen unter https://archive.org/details/bub_gb_w0MYAAAAYAAJ Eine Zusammenfassung liefert https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/die-krankheit-zum-tode/5742. Im Übergang von Verzweiflung zu Zweifel wird der Sprung in die dritte Sphäre, die Ebene der Religion anstelle der Ästehtik oder Ethik, vollzogen.

Genau wie bei Hölderlin und später Nietzsche wird das rationale Gottesbild bzw. die Erkenntnis und Deutung zertrümmert. Zahlreiche Fragen dokumentieren dies schon stilistisch. Dabei tritt auch hier die Hybris, von Kierkegaard Sünd genannt, in den Vordergrund. Die Sünde ist nur dem Christen aufgrund seiner Reflexion über das Böse möglich und gleichzeitig Chance zur Rettung (Hölderlin inb „Patmos“: Wo Gefahr ist, wähst das Rettende auch), da er dann das Gute bewusst und aus freier Entscheidung heraus wählt, sich also gegen die Sünde behauptet.

Foto Belinda Helmert: Küste bei Frederikshavn. Hier zeigt die Ostsee ihre freundlichste Seite: Das Wasser ist flach, und du musst weit hinausgehen, bevor es tief wird. An einigen Stellen werden die weißen Sandstrände durch Meereswiesen und Lagunen mit einer reichen Vogelwelt abgelöst. Im Hinterland liegen große Heideflächen, hügelige Landschaften, Wälder und Plantagen. https://www.visitdenmark.de/presse/pressemitteilungen/neuer-wanderweg-auf-kierkegaards-spuren

Überwindung der Furcht im Glauben

Die Schaffenzeit von Hölderlin betrug 1788 bis 1804 maximal wohlwollend 16 Jahre, die Kierkegaards 12 Jahre (1843-55) und die Nietzsches umfasste 1872 bis 1888, also 16 Jahre. In „Furcht und Zittern“ – Volltext unter https://archive.org/details/bub_gb_ZE8YAAAAYAAJ – Interpretation unter https://www.bookey.app/de/book/furcht-und-zittern setzt sich der dänische Denker mit Abraham und Isaak auseinander und rekonstruiert die Gedanken des Vaters, der aus Liebe zu Gott den eigenen Sohn zu töten bereit ist. Bereits diese Situation birgt zwei Seiten, Mord und Opfer. Schuldig wird Abraham immer.

Philosophie vermag den Glauben und das Paradox Abrahams nicht zu erklären, auch hier stößt das rationale Gottesverständnis an seine Grenzen. Hegel bleibt der wichtigste Bezugspunkt Kierkegaards, gerade hinsichtlich der Selbstbestimmung. Anstelle des Absoluten tritt nun das Absurde ; Camus wird daran anknüpfen; er widmet Kierkegaard einen Essay in „Der Mythos von Sisyphos“. U.a. schreibt Kierkegaard: „Der letzte Durchgangspunkt, den er aus dem Auge verliert, ist die unendliche Resignation … Abraham kann ich nicht verstehen … außer zu staunen.“

Die Bewegung des Glaubens zu beschreiben vergleicht Kierkegaard mit schwimmen, die Bewegung des Denkens mit schweben. Das Staunen steht für die Unendlichkeit, das Erkennen (auch Resignation ist ein Erkennen) hingegen für die Endlichkeit. Abraham überwindet die Furcht und erträgt alles Leid, er beginnt zu schwimmen. Er druchschreitet die Verzweiflung, an dieser Stelle die Resignation. Die unendliche Resignation, die absolute Demut, muss erreicht werden, denn in ihr erst ist Friede im Herzen. Glaube beginnt, wo das Denken aufhört. https://www.deutschlandfunk.de/soren-kierkegaard-der-glaube-beginnt-gerade-da-wo-das-100.html Der Verweis auf Blaise Pascals Wette auf Gott, die in der Maxime endet „Denn das Herz kennt Gründe, von dem der Verstand nichts weiß“ ist eindeutig; das Kapitel endet, wenn Kierkegaard sagt: „weil der Glaube eben da beginnt, wo das Denken aufhört.“

Kierkegaard interessiert primär, ob Abraham und damit der Mensch frei ist zu glauben: er kann es nur, in dem sein Glaube an eine Grenze stößt, die ihn etwas zu handeln zwingt, das er nicht zu tun vermag ohne Glaube. „Die letzte Bewegung, die paradoxe Bewegung des Glaubens, kann ich nicht machen… was jeder Mensch kann ist dies: er kann die Bewegung der unendlichen Resignation machen.“

Ethik und Glaube widerstreiten sich offenbar oder auch nur vermeintlich; das Dilemma ist jedoch für jeden Vater offensichtlich.

Foto Belinda Helmert: Lavendel des Nordens. Eines der faszinierendsten Naturspektakel, das man in dieser Region bestaunen kann, ist die Heideblüte. Jedes Jahr von Juli bis September verwandelt sich Westjütland in ein lila Farbenmeer, das jeden Besucher verzaubert.

Sprung von der Ethik in die Religion

Die Ethik ist immer allgemein objektiv, sie gilt für jedermann und ist immanent, weil sie temporär bleibt. Dagegen ist die Religion transzendent, zudem rein subjektiv, denn niemand kann zum Glauben gezwungen werden. Das zweite Kapitel in „Furcht und Zittern“ widmet sich der Suspension – das Wort hat sehr unterschiedliche Bedeutungen. https://www.navigium.de/latein-woerterbuch/suspenso?nr=null Kierkegaard verwendet die Terminologie hinsihtlich der Theologie und der Teleologie als legitime Ausnahme gegenüber dem Allgemeinen, um das Heilige vom Profanen, dem Unheiligen zu unterscheiden. Dies setzt eine höhere Ethik voraus, die Kierkegaard in der Religion findet. Die hegelianische Dialektik zwischen Individuum und Allgemeinen, die zum Notwendigen führen muss, bleibt unverkennbar. Ebenso die Spannung zwischen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft stehend.

.Innerhalb des Ethischen zu bleiben bedeutet, zu tun, was von einem erwartet wird. Außerhalb jedoch beginnt der Ausnahmezustand, das direkte unmittelbare Verhältnis zu Gott. Hierin wird der fundamentale Unterschied zu einer auf Vernunft gegründeten Religion ersichtlich. „V“Wer den engen Weg des Glaubens geht, dem kann keiner raten, keiner ihn verstehn. Der Gaube ist ein Wunder und doch ist kein Mensch ausgeschlossen davon; denn das einigende Band in allen menschlichen Lebens ist Leidenschaft und Glaube ist eine Leidenschaft.

Fazit: Abraham opfert seinen Willen den Gottes, indem man sich seiner Macht und Gnade anvertraut. Er verwirklicht das Absolute, für Kierkegaard das Heilige, indem er die Konventionen sprenkt und im Vertrauen, in Überwindung seines ethisch begründbaren Zweifels, in den Glauben springt. Bereits Hegel spricht in der „Phänomenologie des Geistes“, Vorrede vom qualitativen Sprung und zwar im Schlussatz: „Aber wie beim Kinde nach langer stiller Ernährung der erste Atemzug jene Allmählichkeit des nur vermehrenden Fortgangs abbricht – ein qualitativer Sprung – und itzt das Kind geboren ist, so reift der sich bildende Geist langsam und stille der neuen Gestalt entgegen, löst ein Teilchen des Baues seiner vorgehenden Welt nach dem andern auf, ihr Wanken wird nur durch einzelne Symptome angedeutet; der Leichtsinn wie die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, daß etwas anderes im Anzuge ist.“

Foto Belinda Helmert: Runenstein an der nordostjütländischen Küste. Allerdings ohne die markante Schriftzeihen der Germanen, denen die Jüten zugehören. Eine Rune ist die Bezeichnung eines Buchstabens im Futhark., so bezeichnet man die vollständige Runenreihe in ihrer festgelegten Reihenfolge. Es gibt zwei bedeutsame Varianten: das ältere (urgermanische) Futhark besteht aus 24 Runen besteht und das jüngere (skandinavische) zu 16 Runen. reduzier

Angst muss sein

1844 verfasst Kierkegaard „Der Begriff Angst“ in fünf Kapiteln; das letzte heißt Angst als das kraft des Glaubens Erlösende: Angst wirkt als Erzieherin, die mithilfe des Glaubens die Erlösung ermöglicht. Interessant hierbei, dass Kierkegaard nicht nur die (Trinität) Angst vor der Erbsünde und die vor dem Bösen kennt, sondern auch eine Angst vor dem Guten postuliert. Da das Gute die Freiheit ist, spricht Kierkegaard von der Angst, dem Schwindel der Freiheit. Dies beinhaltet, dass Angst zur Reflexion nötigt und zu einer bewussten Entscheidung, sowohl dem Verhalten als auch der haltung gegenüber der Angst als Existenzbedingung. „Sich ängstigen lernen, damit man nicht verloren ist“ mit den eigenen Worten des Dänen.

Grundsätzlich ist Angst nicht individuell oder subjektiv wie die Furcht, sondern als kollektives Phänomen zu betrachten. Furcht ist auch konkret, also auf das Bestimmte gerichtet – Angst dagegen ist ohne konkreten Gegenstand, unbegründet und unbegründbar. Der Schwindel vor der Freiheit etwa löst Angst aus. Mit anderen Worten: Angst die die einzige apodiktisch notwendige Bedingung für Freiheit. Gott ist ohne Angst vor ihm nicht zu „glauben“.

Weil die Sünde Sünde durch die Sünde in der Weise eines qualitativen, nicht deduzierbaren Sprunges in die Welt kam, führt auch nur ein Sprung aus ihr heraus. Angst ist wie die Sünde Möglichkeit a priori und Sorge zum Sein bzw.für das eigene Dasein, die Existenz. Daher heißt es auch Existenzangst, nicht Existenzfurcht. Bezüglich des Schwindels, der uns beim Taumeln vor dem Abgrund befällt, der auch die Angst vor Gott beinhaltet (Sündenfall) :„Der, dessen Auge es widerfährt in eine gähnende Tiefe niederzuschauen, er wird schwindlig. Aber was ist der Grund? Es ist ebenso sehr sein Auge wie der Abgrund; denn falls er nicht herniedergestarrt hätte. Solchermaßen ist die Angst der Schwindel der Freiheit, der aufsteigt, wenn der Geist die Synthesis setzen will, und die Freiheit nun niederschaut in ihre eigene Möglichkeit,...“

Der Volltext des Buches ist abrufbar unter: https://archive.org/details/zurpsychologied00schrgoog/page/n60/mode/2up?view=theater. Die Zusammenfassung unter: https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/der-begriff-angst/5741

Foto Belinda Helmert: Küste Nordostjütlands. Jüten waren Riesen in der Edda (13. Jh., isländische Volkssage) , die von den Asen (german. Götter) besiegt wurden. Laut Kierkegaard, hier Hölderlin seelenverwandt, müssen sich Glaube und Vernunft wechselseitig anerkennen, damit Gotteserfahrung möglich wird.

Versöhnung

Versöhnung meint nur die Auflösung des Konfliktes von subjektiv und objektiv, ohne wirklich zu klären, wie denn die Entzweiung in die Welt gekommen ist. Im Prinzip wendet sich der Däne mit seinem Existenzialismus von der idealistischen Idee der Versöhnung ab, weil er den Konflikt, das Bestehen zweier Grundprinzipien (das ästhetische versus dem ethischen) für unauflösbar erachtet. Entscheidendes Argument: „Dadurch verwirrt man von Grund auf zwei Wissenschaften: die Ethik und die Dogmatik, nachdem man es fertig gebracht hat, das Wort Versöhnung hinzuzumengen.“ Gott darf nicht auf ein ethisches oder vernünftig logisches Prinzip reduziert werden.

Bei Hegel (gleichfalls poetistischer Protestant) gelingt diese Versöhnung zwischen Vernunft (Philosophie) und Liebe (Religion) dem Bewusstsein am Ende des Werks in der Aufhebung der Reli-gion in der Philosophie. Kierkegaard stört nicht nur die Methode der rationalen Erklärung des Irrationalen, sondern die Hierarchie als solche. Auch Quali- und Quantität müssen sich versöhnen. Er forciert den Sprung anstelle der aufsteigenden Bewegung aus doppelter Negation und Aufhebung der Konflikte. Kierkegaard will, dass dieses Dilemma bestehen bleiben muss, um fruchtbar zu werden für jene Demut der Auslieferung an die Gnade Gottes. Versöhnung beinhaltet die Erlösung, die Aufhebung der Angst in Gott. Reformuliert: Das Endliche im Menschen versöhnt sich mit dem Unendlichen in der Idee Gottes. Angst setzt ein Verhältnis des Menschen zur Schuld und durch das Bewusstsein von Schuld erst entsteht die Möglichkeit zur Versöhnung. Christentum wurzelt in der Idee der Versöhnung.

Gott ist kein bloß liebender (in Differenz zu Hölderlin), sondern ein fordernder und schaffender Geist (Umwertung, Nähe zu Nietzsche). Versöhnung ist Krieg gegen Gott und Gottes Krieg gegen die Menschen in Balance zu halten. Das Ende des Leidens, das Ewige Paradies, ist nicht intendiert. Der Glaube an Gott ist Sehen, nicht durch Sichtbarmachung, sondern im höhren Sinn des blinden Vertrauens, das nach der Reflexion erfolgt, der Überwindung der Angst. „Der Glaube sieht am besten im Dunkeln“.

Angst ist dialektisch, so dass antipathetische Sympathie und sympathische Antipathie daraus hervorgehen, erstere ist bitters, zweites süßes Leiden an der Angst. Pathos spielt soowhl bei Hölderlin als auch bei Nietzsche eine entscheidende Rolle. Antipathetische Sympahtie ist die Grundangst der Enge, sympathische Anbtipathie dagegen die Grundangst der Ferne, auch mit Sehnsucht verwandt. Es ist evident, dass diese Sehnsucht zu Gott führt.

Foto Belinda Helmert: Nahe Skagen, Graenen. Thales glaubte Wasser sei der Ursprung allen Lebens. Wasser ist das dominante Element. https://www1.wdr.de/fernsehen/wunderschoen/sendungen/nordjuetland-100.html

Über Nietzsche folgt ein eigener Block. An dieser Stelle lag mir daran, vier grundsätzliche Gemeinsamkeiten (Analogien) aufzuzeigen, gleichwohl diese unterschiedliche (differnzierte) Haltungen bzw. Antworten zeitigten.

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