Glück glückt nur den Glücklichen

Foto Belinda Helmert, Glück im Käfig – Baustelle auf der Prager Karlsbrücke, Jan Hus Skulptur

Auf der Suche nach messbarem Glück

Wer würde es nicht lernen wollen, wie es geht, das Glücklichsein? In der Schule wird man für vieles vorbereitet, auf das eigentliche Leben und den Umgang mit uns selbst leider nicht. Wir Deutschen sind nicht glücklich. Regelmäßig hängen uns in den Studien bei der Volksbefragung die Skandinavier und Niederländer ab. (https://www.geo.de/wissen/4747-rtkl-gluecksstudien-wozu-das-glueck) Glück gleicht einem uneingelösten Versprechen, wie es scheint.

Weltweit rangieren Länder wie Burma oder Indien weit vor uns. Reichtum allein macht nicht glücklich, das stand schon lange fest. Burma leistet sich einen Glücksminister, weil nicht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sondern des Unwohlseins der Bewohner an erster Stelle steht. Glücksseminare stehen auch bei uns hoch im Kurs. (https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/gesundepsyche/gluecksforschung/gluecksstudien-ueberraschende-ergebnisse_id_2996404.html) Es scheint, als sitzen wir gerne auf einer Bank und warten darauf, dass das Glück vorbeikommt und sich zu uns setzt. Kommt es dann unverhofft, schrecken wir auf und fühlen uns gestört. Empörung folgt auf Ernüchterung.

Foto Belinda Helmert: Frau auf einer Bank

Beispielsweise kann jeder sein Gehirn trainieren, sich Schönes vorzustellen und auch das Schöne in den Sinnen wiederzubeleben, die Vorstellung versetzt zwar nicht immer Berge, aber sie programmiert den Tag und sensibilisiert für die selektive Wahrnehmung. Wenn mir etwas im Fernsehen oder Radio nicht gefällt, kann ich auch den Sender wechseln und habe dann meistens auch bessere Laune.

Selbstbestimmung, die Autonomie, spielt in Zeiten zunehmender Fremdbestimmung eine große Rolle. Daher gibt es bereits Glücksforschungsinstitute wie das IFG (https://gluecksforschung.de/). Grundsätzlich setzt sich Glück aus tausend kleinen Mosaiken zusammen, die unser Hirn entweder als ein Bild abspeichert bzw. bewertet oder die sich unbewusst summieren, bis dann unverhofft eine Kleinigkeit seine bezaubernde Wirkung auf uns entfaltet.

Foto Belinda Helmert, Eiskristalle

Epikurs Hedonismus

Vielleicht hast du dich schon oft gefragt, weshalb du nicht glücklich bist oder festgestellt, dass du Einfluss auf dein Glücksbefinden hast und damit ist nicht die Tagesform gemeint oder ein spezielles Ereignis, das für deine Glücksgefühle verantwortlich ist. In der Soziologie gibt es eine eigene Glücksforschung. Sie basiert auf Erkenntnisse der Antike, dem Hedonismus. Das Wort stammt von hedone, Glück, Lust, was schon zeigt, dass eigenes Erleben und der subjektive Faktor eine Rolle spielen. Fälschlicherweise benutzt man im Alltag Hedonismus als Synonym für Streben nach Glück durch Lustgewinn. Viele machen es bis heute an Äußerlichkeiten, Erfolg, Karriere, Eigentum, Schönheit fest. Das aber hat nichts mit innerem Glück zu tun. Epikur sagt, es gleicht einem Baum mit seinem Bewusstsein für einen noch so kleinen Wachstum, den andere vielleicht gar nicht bemerken.

Foto Belinda Helmert, Baumgruppe am Bremer Weserwehr, Hemelingen

Epikur lehrt eine Lebensweise, die drei Dinge voraussetzt: Kenntnis deiner Selbst, Lernen von Strategien, wie du das erreichst, was dir Lust bereitet und eine Ethik, die verhindert, dass dabei andere zu Schaden kommen, wenn du nach Glück stebst. Manchmal und kurzfristig hilft ja Musik, gutes Essen, ein Kuss etc. Aber wir reden hier von einer dauerhaften Befriedigung, die nicht von äußeren Zufälligkeiten abhängig ist, im Grunde nichts mit Konsum, Haben und Geschenken des Lebens zu tun hat, sondern mit innerer Bereitschaft, Haltung, Einstellung, Wahrnehmung. Glück ist Eudaimonia, das Gelingen der Lebensführung, guter Stress, daher den guten Dämon (daimon, die Stimme) in mir entdecken, die mich fördert.

Glück kommt von Genuss, genauer Genussfähigkeit. Es steht in Verbindung mit dem, was du erlebst. Jede Empfindung zählt. Um sie zu gewinnen braucht man nicht immer auf ein Ereignis zu warten, sondern kann es sich selbst schenken. Glück gleicht auch einer Inszenierung: werde Regisseur deines Films.

Belinda Helmert: Eichenblatt im Winter, mit „weißen Perlen“ überzogen

Glück ist wie Liebe eine sehr persönliche Sache und das Wichtigste daran ist, dass es kein anderer als du selbst erzeugen kann. Niemand macht uns glücklich, wenn er uns liebt, so lange wir es nicht zumindest zulassen. Ein Lob, das ich nicht annehmen kann, gleitet an mir ab oder macht mich abhängig. Es bedarf zu allem eines Resonanzbodens, der unserem Selbst Krisenfestigkeit verleiht. Dazu gehört, das halb volle Glas zu sehen und nicht das halb leere. Ohne innere Beteiligung ist ein langfristiges Gefühl von innerer Zufriedenheit und Zutrauen zur Welt unmöglich. 

Fot o Belinda Helmert, Sonnenuntergang auf Korfu nahe Zeus-Statue des Phidias

Sichtweisen

„Das Glück begreifen, dass der Boden, auf dem Du stehst, nicht größer sein kann, als die zwei Füße, die ihn bedecken.“ (Franz Kafka)

„Ich glaube, dass das Glück nur in der heiteren Auffassung des Lebens und in der Vortrefflichkeit des Herzens und nicht in den äußeren Umständen liegt.“ (Fjodor Dostojewski)

„Das Glück beruht oft nur auf dem Entschluss, glücklich zu sein.“  (Lawrence Durrell)

Glück ist keine Äußerlichkeit, welche dem Menschen aufgepfropft wird, sondern eine Innerlichkeit, die jedem Menschen innewohnt. Die Frage ist, macht uns dieses Wissen, diese Einsicht, die idealerweise mit dem Wissen verknüpft ist, glücklich? Nein. Es ist wie ein gutes Essen, das mir auch schmecken muss, denn der Anblick fördert zwar den Appetit, gewissermaßen die Neugierde, es zu probieren, mehr aber auch nicht. Wir Menschen sind nicht aus Stein – darum gilt auch für das Glück: es ist nicht in Stein gemeißelt, sondern im Fluss – du musst mit ihm schwimmen, nicht gegen die Strömung.

Foto Belinda Helmert: bemooster Stein wird zum Gesicht

Nietzsches Glück der Morgenröte

Der langsame Pfeil der Schönheit.Die edelste Art der Schönheit ist die, welche nicht auf einmal hinreißt, welche nicht stürmische und berauschende Angriffe macht (eine solche erweckt leicht Ekel), sondern jene langsam einsickernde, welche man fast unbemerkt mit sich fortträgt und die einem im Traum einmal wiederbegegnet, endlich aber, nachdem sie lange mit Bescheidenheit an unserm Herzen gelegen, von uns ganz Besitz nimmt, unser Auge mit Tränen, unser Herz mit Sehnsucht füllt. – Wonach sehnen wir uns beim Anblick der Schönheit? Darnach, schön zu sein: wir wähnen, es müsse viel Glück damit verbunden sein. – Aber das ist ein Irrtum. „(Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzu Menschliches I, 4, 149)

Staunen und Neugier, das Kind in sich entdecken durchbrechen Routine und Bewerten , mit dem ich jede kleine Blume zertreten kann. Damit schließt sich der Kreislauf, denn schon Epikur spricht immer vom kleinen Glück. Das große ist selten, hält nie lange vor und ist zudem zu mächtig, um es lange tragen zu können. Wir haben Angst, es sei unverdient, könnte wieder verloren gehen, fangen an zu vergleichen und sind häufig schnell satt, enttäuscht und verbittert, wenn es nicht wieder kommt und sich unsere Furcht bewahrheitet. Das kleine Glück hingegen kommt auf kleinen leisen Schritten, ist ständig unser Begleiter und gleicht einer offenen Hand, deren Inhalt immer bei uns bleibt, weil er zu uns gehört.

Belinda Helmert: „gefrorener Pflasterstein“

„Das Glück und das Unglück sind zwei Geschwister und Zwillinge, die miteinander großwachsen oder, wie bei euch, miteinander – klein bleiben!“ (Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, IV, 338). Ein altes Indianergleichnis lautet, Glück und Unglück sind wie zwei Wölfe, der eine weiß, der andere schwarz. Derjenige wird größer und  den Kampf in dir gewinnen, den du mehr fütterst. amor fati nennt Nietsche die (griechische) Heiterkeit, in welcher sich die Annahme und Gelassenheit dem Leben gegenüber widerspiegelt. Ich betrachte jeden Tag als neue Chance, jeden Sonnenaufgang als Möglichkeit mir neu liebevoll zu begegnen und die Welt in ihrer Schönheit anzunehmen.

Foto Belinda Helmert, Sonnenuntergang auf Korfu

Aristoteles Glück des Guten und Edlen

Sofern es um die Philosophie des Glücks geht, liegt es allein in unserer Hand und entspricht dem Gelingen eines Lebensentwurfes. Glück hängt nicht ab von äußeren Umständen oder dem Zugefallenem, dem Zufall. Es geht nicht im Schicksal auf. Es kommt primär darauf an, was wir aus den Begegnungen mit Menschen und Situationen machen. In gewissen Gead ist es erlernbar wie die Resilienz. Das innere Strahlen muss folglich mehr als nur ein subjektiver Faktor sein, es fordert Einssein oder Rückkehr zur inneren Mitte. Möglicherweise gibt es Glückspilze, die dies intuitiv in sich tragen und selten aus dem Gleichgewicht zu bringen sind, so genannten Frohnaturen. Letztendlich hat der glücklich gelebt, der auch im Sterben mit einem Lächeln zurückblickt.

Foto Belinda Helmert: Friedhofsruhe – stilles Glück

Seit Aristoteles´“Nikomachischer Ethik“ (https://narabo.de/nikomachische-ethik-aristoteles-ueber-tugend-und-glueck) wird Glück mit Tugend bzw. Sittenlehre verbunden; folglich ist es der Lohn des Tüchtigen. Glück kennt keine Laster wie Neid, Scham, Eifersucht oder Gier. Ehrgeizig sein Ziel verfolgen verschafft kein dauerhaftes Glück, selbst wenn das Ziel erreicht, die Erwartungen erfüllt sind. Die Entscheidung für eine Tugend geschieht um meiner selbst willen, als eine Botschaft an mich selbst, wenn ich sie mir gestatte. Das Zulassen und Verinnerlichen setzt andere Glückserlebnisse frei als das Wiedergeben von Gelernten, das Imitieren von Erfolg oder Reproduzieren von Wunscherfüllung. Es bleibt etwas Organisches, vergleichbar einer Blume.

Foto Belinda Helmert, Azalee in der Farbe eines buddhistischen Mönchgewandes

Es geht beim Glück um Selbstannahme und Selbstliebe im positiven Sinn, nicht um Egoismus, etwas unbedingt haben zu wollen. Glück kann man nicht einfangen, erjagen, erkämpfen, erarbeiten. Aber man kann etwas dafür tun, Voraussetzungen schaffen, den Nährboden bereiten, die Saat dafür legen, indem ich mich stimmig mache und bereit bin für das Wunder des Lebens ohne es zu bewerten.  

Buddhas Bauch

Am Ende noch ein kleiner Blick auf Buddha. Viele stolpern über den Glaubenssatz Leben ist Leid. Buddhisten, die diese Lehre verinnerlicht haben, lächeln über das erfahrene Leid und sind glücklich. Sie erwarten keine Erlösung von außen, sondern spüren das Göttliche in sich und vor allem, sie wissen das Erleiden umzulenken auf Erleben von Glück, weil beides zusammenhängt und nur unser ständiges Bewerten, Vorstellen und Urteilen im Grunde für das Leid verantwortlich ist.  Der wichtigste Schlüssel dazu lautet Achtsamkeit und dies gilt besonders für den Augenblick, die Präsenz im Präsens:

„Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment.“

(zitiert aus: https://magazin.happinez.de/das-lehrt-buddha-ueber-glueck-3542.html)

Jemand davon zu überzeugen, etwas für sich zu wollen, kann nicht funktionieren, wenn es darum geht, Eins mit sich zu sein, zu werden oder zu bleiben. Jene Kontinuität in der Diskontinuität verleiht Glück, das mir niemand nehmen kann. Dieses Paradox: werde, der du bist erfordert eine Stimmigkeit, eine Haltung. Bleiben ist in allem Wandel und Verwandlung bedeutet zugleich Erhalten von dem, was gerade ist. Du bist immer gleich wertvoll,  obschon du dich stündlich, ja sogar sekündlich änderst. In diesem Sinn gestatte dir, glücklich zu sein und „du wirst morgen sein, was du heute denkst.“ Allein auf deine innere Schönheit kommt es an.

Foto Belinda Helmert, Bremer Karneval

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